Im ehemaligen Foto-Quelle Areal im Süden Nürnbergs ist ein außergewöhnlicher Supermarkt entstanden, der Wege aus der monotonen Discounter-Bauweise zeigt

In den 1970er-Jahren baute der  Quellekonzern im Stadtteil Langwasser auf einem 50000 m² großen Gelände seine Produktion mit einer bebauten Fläche von insgesamt etwa 25000 m² auf. Hier residierte Europas größtes analoges FotoLabor, bis der Einzug der digitalen Welt dem ein Ende setzte. Nach Zeiten des Leerstands hat der Immobilienentwickler Helmut Schmelzer die großdimensionale Industriebrache schrittweise saniert und umgebaut. Das Kürzel TM50 (=
Thomas-Mann-Straße 50) steht heute als Symbol für eine gelungene Altgewerbe-Konversion: ein moderner Dienstleistungs- und Verwaltungsstandort mit attraktiven Büro- und Gewerbeflächen, Einzelhandel, zudem ein Kindergarten, ein Restaurant sowie ein Supermarkt, der aufhorchen lässt. Das Bauprojekt in Nürnberg zeichnet sich besonders durch eine emissionsfreie Energieversorgung, ein unikates Tageslicht-Beleuchtungskonzept und nicht zuletzt durch eine
hybride Konstruktion aus Stahlbeton und Holz aus. Der erste Teilabschnitt des TM50, welcher für sein umfängliches Gesamtkonzept die LEED-GoldZertifizierung erhalten hat, wurde schon 2010 fertiggestellt. Die Mieter der rund 21000 m² Bürofläche erfreuen sich an den geringen Heiz-/Kühlkosten von monatlich 0,40 €/m² sowie an der verkehrstechnisch gut erschlossenen Lage in einem zunehmend attraktiven und wachsenden Stadtviertel mit über 35 000 Einwohnern. Die klimafreundliche Energieversorgung zur gleichzeitigen Heizung und Kühlung des Areals bildet einen zentralen Baustein der Sanierung – sie erfolgt auf Basis oberflächennaher Geothermie. In Tiefen bis 110 m entzieht ein rasterförmig angelegtes Feld von 150 Erdsonden über ein System aus Wärmetauschern und -pumpen dem Untergrund emissionsfrei Energie und verteilt diese über sparsame Fußboden- und Deckenflächenheizungen. Die dual ausgelegte Bauteilaktivierung dient bei dem Projekt sowohl der winterlichen Erwärmung wie auch der sommerlichen Kühlung. Dabei wird dem Erdsondenfeld im Winter Wärme entzogen und gleichzeitig Kälte im Untergrund eingespeichert. Die Kälte dient später der Kühlung im Sommer, während im Untergrund dann parallel Wärme für den darauffolgenden Winter eingespeichert wird. Dieser sich selbst regenerierende Erdspeicher deckt mit einem Leistungsvolumen von rund 750 MWh Wärme bzw. Kälte die Grundlast des TM50 ab. Zur Redundanz und für etwaige winterliche Lastspitzen steht ein Fernwärmeanschluss bereit.
Bei der Neuplanung der Industriebrache wurde von vornherein auch das inzwischen unmittelbar angrenzende Wohnquartier mit einbezogen. Diesem fehlte bis dato ein eigener Vollsortimenter Diese Versorgungslücke konnte der Neubau des Supermärkte schließen.

Die rund 1500 m² Verkaufsfläche wird über Lichtausschnitte in der Fassade und über Sheddächer mit Tageslicht versorgt.

Tageslicht durch Sheddächer

Der neue Edeka-Supermarkt versorgt gleichermaßen die Beschäftigten des TM50 als auch die ortsnahe Bevölkerung. Das als Leuchtturmprojekt konzipierte Einkaufszentrum verbraucht über seine ausgeklügelte Entwurfsplanung und ein modulares Versorgungsmosaik nur noch etwa 30 Prozent der Energie konventioneller Lebensmittelgeschäfte bei signifikant erhöhtem Einkaufskomfort. So werden die rund 1500 m² Verkaufsfläche über Lichtausschnitte in der Fassade und über sogenannte Sheddächer – parallel angeordnete Pultdächer, deren Senkrechte von nach Norden ausgerichteten, öffenbaren Fenstern gebildet wird – in weiten Teilen mit blendfreiem, gleichmäßigem Tageslicht versorgt. Die im Markt eingesetzte, sparsame LED-Beleuchtung wird dem folgend tageslichtabhängig gesteuert, was den Energieverbrauch nochmals minimiert. Ein zusätzlicher Vorteil der Sheddächer  ist, dass sie Lichtstrahlen in hohem Maße hereinlassen, jedoch zugleich unerwünschte Wärmestrahlen durch sogenannte Absorptionsgläser aufnehmen und ableiten (g-Wert: 0,33 = nur 33 Prozent der eingestrahlten
Energie gelangt in den Raum) und dadurch einer sommerlichen Aufheizung entgegenwirken. Umlaufende schlitzartige Öffnungen in der Gebäudehülle komplettieren das Tageslichtkonzept.

Die Sheddächer  tragen die nach Süden ausgerichtete Photovoltaik-Anlage, die eine installierte Leistung von 97 KWp aufweist.

PV-Strom zur Selbstversorgung

Zugleich tragen die Sheddächer die optimierte, da nach Süden ausgerichtete Photovoltaik-Anlage mit einer installierten Leistung von 97 KWp, deren Strom nicht umständlich eingespeist und rückvergütet, sondern sinnvollerweise direkt an Ort und Stelle verbraucht wird. Damit werden u. a. die langen Kühltheken betrieben, deren Abwärme wiederum über die Betonkernaktivierung des Fußbodens zur Beheizung genutzt wird. Das entlastet die Geothermie und spart nochmals Energie im Wärmepumpenbetrieb. Die ebenso simple wie effektive Lüftung des großzügig mit weiten Gängen ausgestatteten Verkaufsraums erfolgt auf Basis permanenter CO2-Messungen, wobei sich bedarfsgesteuert die Fenster der Sheddächer automatisch öffnen bzw. schließen. Dadurch konnte das vollautomatische Lüftungssystem, das sich mit einem maximalen Zuluftvolumenstrom von ca. 4400 m³/h den stetig ändernden Kundenfrequenzen anpasst, deutlich kleiner dimensioniert werden, was Investitions-, Betriebskosten und Energie gespart hat. Das stimmige Gesamtkonzept
des Supermarktes, der etwa 60 Prozent mehr gekostet hat als die üblichen Standardmärkte, wird komplettiert von einer flächenschonenden, 70 Stellplätze großen Tiefgarage, auf der der Markt errichtet wurde. Die ersten Langzeitmessungen der Leistungs- und Verbrauchswerte zeigen nach einem einem Jahr Betriebszeit, dass der Gesamtjahresverbrauch an Strom nur rund 248000 kWh betragen hat, wovon 70 Prozent allein auf den Betrieb der Kühltheken entfallen sind. Die vorauskalkulierten Verbräuche lagen mit über 400000 kWh weitaus höher, während die PV-Leistung mit rund 89000 kWh die Vorausberechnung nahezu bestätigte, sodass über ein Drittel des Strombedarfs selbst erzeugt werden konnte. Die Ergebnisse belegen, dass sich die höheren Investitionen in die ausgeklügelte Hybridarchitektur und Versorgungsinfrastruktur sukzessive über Einsparungen im Leistungsbezug sowie in der Dauerhaftigkeit des Gebäudes amortisieren werden. Darüber hinaus steuert der Supermarkt in Nürnberg bedingt durch deutlich geringere CO2-Emissionen und eine verbesserte Ressourceneffizienz dem Klimawandel entgegen. Anlass genug, die Energieversorgung und Bauweisen konventioneller Supermärkte und anderer Zweckbauten mit einer langfristigen Perspektive neu anzudenken.

Quelle: Mikado 10.2016